Thursday, 28 December 2017

Der Macher aus Glauchau

... Benjamin Gruner, Initiator des früheren Reggae-Sun-Festivals im Schloss Forderglauchau

Von Tanja Goldbecher

Glauchau/Chemnitz. Es riecht nach frisch verputztem Beton. Benjamin Gruner geht an Schutthaufen und einem Baugerüst vorbei. In diesen Räumen mit den großen Fenstern soll ein neuer Szene-Club in Chemnitz entstehen. Eine glitzernde Disco-Kugel, die von der Decke hängt, ist bisher aber das einzige, was auf die zukünftige Party-Adresse im Südbahnhof an der Reichenhainer Straße hindeutet. Doch Bauarbeiter rücken täglich an. Denn Ziel ist es, dass in dem historischen Bau bereits Anfang 2018 zu Techno, Hip Hop und Reggae getanzt wird.

Partys, Kulturveranstaltungen und handgemachte Musik: Damit kennt Gruner sich aus. Sein erstes Festival hat er bereits mit 17 Jahren in seiner Heimatstadt Glauchau organisiert. Mittlerweile wohnt der 28-Jährige in Chemnitz und hat sich dort schon vor dem Großprojekt Südbahnhof zu einem der prägenden Menschen der Kultur-Szene entwickelt. Die Verbindungen zu Glauchau sind zwar lockerer geworden, aber nicht gänzlich aufgelöst.

Gruner - blond, blauäugig, etwas hager - hat 2008 zum ersten Mal das Reggae-Sun-Festival im Schlosshof Forderglauchau veranstaltet. Ein Tag im August, Musiker aus ganz Deutschland, 500 Besucher. Im Jahr 2014 fand die letzte Auflage des Festivals statt. Die Besucherzahlen brachen damals von 500 auf etwa 300Gäste ein. "Mir ist dann erst richtig bewusst geworden, dass ich mit dem Festival riskiere, mich zu verschulden", sagt Gruner. Er bat um finanzielle Absicherung von der Stadtverwaltung. Die Rede war von mehreren tausend Euro. Dafür sei kein Geld da, hieß es aus dem Rathaus - oder schlicht kein Interesse.

Nach dem Aus des Woodstage-Festivals mit mehr als 10.000 Fans im Gründelpark hatten viele Glauchauer auf ein neues traditionelles Musik-Event gehofft, das Menschen in die Stadt zieht. "So klein das Festival auch daher kam, unbedeutend war es deshalb nicht. Denn eine solche Veranstaltung durfte seinesgleichen in Westsachsen suchen. Sie war ein Alleinstellungsmerkmal und bereicherte das kulturelle Angebot in der Stadt", hatte die "Freie Presse" kommentiert. Diese Meinung teilt auch der Glauchauer Graffiti-Künstler Markus Esche alias Zone 56. "Benjamin Gruners Veranstaltungen sprachen eine große Bandbreite an Besuchern an. Zumal er auch neue Sachen probierte und nicht nur das übliche Disco-Publikum bediente", sagt Esche. Glauchau bräuchte mehr Leute von "seinem Format".

Mit dem Reggae-Festival verschwand letztendlich auch Benjamin Gruner aus der Stadt. Zu Besuch kommt er jedoch regelmäßig, seine Eltern leben immer noch dort. Ein Urteil über Glauchaus Entwicklung will sich der 28-Jährige nicht anmaßen, dafür bekomme er zu wenig mit. Aber das ist vielleicht dann doch eine Einschätzung: "Es scheint sich in den vergangenen Jahren nicht viel getan zu haben." Kaum etwas Neues, immer weniger Einwohner. In Chemnitz hat er nicht nur Freiräume entdeckt, sondern auch die Stadtverwaltung auf seiner Seite.

Für die Sanierung des Südbahnhof-Innenlebens hat der Stadtrat einen Zuschuss von 25.000 Euro bewilligt. Gruner hat das Gebäude gemeinsam mit seinem Geschäftspartner und guten Freund Timo Stocker gekauft. Ihre Vision: Unter einem Dach sollen ein Club, eine der größten Konzerthallen der Stadt und ein Café entstehen. Denkbar wäre, eine Art Kulturbahnhof aufzubauen.
Gruner mischt zugleich in anderen Projekten mit. Er ist einer der Vorsitzenden des Kulturvereins Spinnerei. Außerdem hat er die Fête de la Musique in Chemnitz ins Leben gerufen. Auch für die diesjährige Ibug, ein urbanes Kunstfestival in einer Chemnitzer Brache, hat er das Rahmenprogramm mitgestaltet. Zurzeit organisiert er eine Veranstaltungsreihe über den Islam. So kommt es, dass man Gruner bei Chemnitzer Kulturveranstaltungen immer wieder begegnet. Meist ist er am Organisieren, Verkabeln oder Platten auf das DJ-Pult legen.

Man könnte fast sagen nebenbei, 40 Stunden pro Woche, arbeitet Gruner als Sozialbetreuer in einem Chemnitzer Asylbewohnerheim. Diese Erfahrungen, vor allem in der Flüchtlingskrise vor zwei Jahren, haben Spuren hinterlassen. Die soziale Arbeit sei sehr wichtig, aber sein Herz schlägt für die Kultur. Wer sich mit Gruner unterhält, wird angesteckt von dem Drang, Freiräume zu gestalten. Der 28-Jährige wartet nicht darauf, am Wochenende bespaßt zu werden. Er ist ein Visionär - und vor allem ein Macher. "Ich will initiieren und dann aber auch manche Projekte an andere abgeben."
Ähnlich wie beim Reggae-Sun, nur in größerem Umfang, steht auch beim Club-Projekt viel Geld auf dem Spiel. Doch Gruner ist zuversichtlich. "Wir haben mittlerweile viele Erfahrungen gesammelt, sodass wir die Lage gut einschätzen können", sagt er. Also können ein neuer Club und eine Konzerthalle in Chemnitz funktionieren? Gruners schlichte Antwort: "Ja." Mit dem Projekt legt er sich zudem für einige Jahre auf die Stadt fest. Chemnitz ist, wie ursprünglich angedacht, keine Zwischenstation. Es ist vielmehr der Ort, an dem er sich entfalten kann.
 

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