"In nichtöffentlichen Sitzungen fallen die Debatten heftiger aus"

Stadtrat Wolf-Dieter Stöckl über die Freien Wähler in Meerane und die prekäre Haushaltslage

Meerane. Der Fraktionsvorsitzende und stellvertretende Bürgermeister Wolf-Dieter Stöckl (73) hat vor 25 Jahren gemeinsam mit anderen Akteuren den Landesverband der Freien Wähler gegründet. Im Gespräch mit Tanja Goldbecher zieht er ein Resümee über die Arbeit der Wählervereinigung in Meerane - dabei benennt er auch Tiefpunkte.

Herr Stöckl, in Meerane sind Sie ein politisches Urgestein. Sie sitzen seit der Wende im Stadtrat - erst in der DSU, ab 1991 für die Freien Wähler. Wie sind Sie überhaupt zur Stadtpolitik gekommen?
Wolf-Dieter Stöckl: Ich habe mich früher nicht um die Politik gekümmert. Kurz nach der Wende hat mich jedoch Peter Ohl, mein damaliger Hausarzt, angesprochen, ob ich die politische Wende und die neue Ära mitgestalten will. Nur zu meckern, hat uns schließlich nicht weitergebracht. Also stieg ich in die Stadtpolitik ein. Nachdem die DSU sich zu weit rechts positioniert hatte, gründeten wir erst in Meerane und ein Jahr später auf Landesebene die parteienunabhängige Wählervereinigung. Ich bin der Politik seitdem treu geblieben.

Auch die Freien Wähler gibt es bis heute. Sie sind mit fünf Stadträten die stärkste Fraktion in Meerane. Worauf beruht Ihr Erfolg?
Wir haben immer das Wohl der Stadt und der Region im Blick gehabt. Seit 21 Jahren spenden wir für soziale Einrichtungen und die Jugendfeuerwehr, wir haben im Vergleich zu den anderen Fraktionen eine eigene Internetseite, und es war unsere Idee, Willkommenspakete für Neugeborene und deren Familien zu vergeben. Wir mussten in der Vergangenheit aber auch einige Tiefpunkte überwinden.
Welche waren das?
Wir hatten lange ein Schwimmbad für Meerane gefordert, wofür es jedoch nie Fördermittel gab. Auch der Verlust des Meeraner Pestalozzigymnasiums war für uns und die gesamte Stadt ein herber Rückschlag. Außerdem gab es Zeiten, in denen waren wir nur noch drei Vertreter der Freien Wähler im Stadtrat.
Lag das an zu wenig Wählerstimmen oder nicht genügend Kandidaten?
Beides. Nachdem Peter Ohl nicht mehr Bürgermeister war und sein Nachfolger Lothar Ungerer Kritik an der Mesteg und Ohls Amtszeit anbrachte, schlug sich das auch auf die Fraktion nieder. Ohl ist später zudem aus den Freien Wählern ausgetreten, was ich sehr schade fand.
Der Konflikt zwischen Ohl und Ungerer schwelt immer noch.
Ja, leider. Denn beide haben bis heute eine großartige Arbeit für Meerane geleistet. Mit dieser positiven Entwicklung kann etwa die Stadt Glauchau nicht mithalten.
Innerhalb des Stadtrats gibt es kaum kontroverse Diskussionen. Auch Ihre Fraktion hält sich zurück.
Wir unterstützen die guten Vorschläge der Stadtverwaltung. In nichtöffentlichen Sitzungen fallen die Debatten heftiger aus, nach außen tritt der Rat aber geschlossen auf. Die Zusammenarbeit unter den Fraktionen funktioniert sehr gut.
Auch mit den beiden NPD-Stadträten?
Ja.
Obwohl sie einer rechtsextremen Partei angehören ...
Im Stadtrat lassen sie ihre politische Gesinnung nicht heraushängen.
Wie lange werden Sie sich noch im Stadtrat engagieren?
Ich will zu 99,5 Prozent 2019 nicht mehr antreten. Unsere Aufgabe besteht bis dahin, jungen Nachwuchs für die Fraktion zu finden.
Wie wollen Sie das schaffen?
Wir befürworten zum Beispiel die Gründung eines Jugendstadtrats. Dafür müssten sich jedoch bereitwillige Oberschüler und Gymnasiasten bei uns melden.
Wenn es Meerane im kommenden Jahr finanziell weiterhin so schlecht geht, könnten jedoch bald alle Projekte auf Eis liegen.
Dazu können wir jetzt noch nichts sagen. Wir müssen abwarten, ob sich zum Beispiel noch etwas bei der Kreisumlage verändert und dadurch wieder mehr Spielraum für den Haushalt 2018 entsteht.
Haben Sie trotzdem bereits Ideen für gute Investitionen?
Wir wollen eine Ausstellung über Meeranes erfolgreiche Sportler initiieren. Aber auch andere Projekte wie den für die Stadt wichtigen Breitbandausbau behalten wir im Blick. Es ist aber einfach noch zu früh, um weitere Aussagen zu treffen.