Das ist Schicksal: Lydia Burkhardt feiert ihren 26. Geburtstag bei ihrem 26. Kraftklub-Konzert. Sie bringt so manches Opfer, um die Chemnitzer aus nächster Nähe zu sehen.
Von Tanja Goldbecher
Zwickau. Ein stämmiger Mann wirbelt mit einem weißen Laken
durch die Luft. Den hochroten Gesichtern vor ihm bläst ein leichter Windhauch
entgegen. Die Masse ist völlig überhitzt und kann trotzdem nicht still stehen.
Das ist nicht etwa eine Szene aus einer finnischen Sauna-Party. Sie hat sich am
Dienstag in der ersten Reihe des ausverkauften Kraftklub-Konzerts in der
Zwickauer Stadthalle abgespielt.
Lydia Burkhardt weicht keinen Meter von dieser Frontlinie
ab. Die Frau mit den leuchtend roten Haaren wird von rund 3000 Menschen gegen
die Bühnenabsperrung gepresst. Was für manche der absolute Horror wäre, erfüllt
der Leipzigerin einen Traum. Es ist das 26. Mal, dass sie der Chemnitzer Band
live zujubelt – und das ausgerechnet an ihrem 26. Geburtstag. Um sich den Platz
ganz vorn zu sichern, ist Lydia Burkhardt an ihrem Ehrentag durch ein
Wechselbad der Gefühle gegangen. Tagsüber hielt sie neun Stunden bei knackigen
Minusgraden vor der Stadthalle die Stellung. Schlafsack und Camping-Stuhl haben
das Ausharren erträglicher gemacht. Eine Stunde vor Mitternacht kullern die
Schweißperlen, ihre Frisur ist passé und die Schminke verlaufen.
Die 26-Jährige gehört zu den Mädels, die immer in der ersten
Reihe stehen wollen. Über sie sagte Kraftklub-Sänger Felix Kummer schon vor
vier Jahren im Interview mit der „Freien Presse“: „Sie wollen Steffens
Oberschenkel.“ Und Steffen Israel fügte hinzu: „Sie sind verrückt.“ Ist es
verrückt, seinen Urlaub nach den Tour-Daten einer Band zu richten und den
Sternchen durch die ganze Republik zu folgen? Für Lydia Burkhardt ist das
normal. Sie mag die deutschen Songtexte von Kraftklub und kann vortrefflich zu
den flotten Indie-Rock-Stücken ausrasten. Sie trägt Kraftklub nicht nur auf dem
T-Shirt, sondern auch im Herzen. Auch wenn Felix „unsere Fans sind jetzt
Mainstream“ leicht ironisch ins Mikrofon singt, sind es genau diese Anhänger,
die sämtliche Karten der Stadthalle aufgekauft haben. Vielleicht überrascht es
die Musiker bei diesem Konzert sogar, als ihre Fans „Nazis raus“ im Chor
anstimmen. Denn Sänger Felix deutet zwischen zwei Titeln an, dass ihn die
derzeitigen Geschehnisse in seiner Heimat nachdenklich stimmen. „Ich schäme
mich fast, dass ich trotzdem ein Lokalpatriot bin“, sagt er.
Für Lydia Burkhardt gibt es an diesem Abend nur eine
Enttäuschung: Sie darf trotz ihres Schildes „Sie muss am Rad drehen“ nicht auf
die Bühne, um an dem Song-Glücksrad zu drehen. Mitte Februar reist sie jedoch
schon nach Prag, wieder ein Kraftklub-Konzert, aber neue Lokation, neues Glück.
No comments:
Post a Comment