Thursday 28 December 2017

Erst Eiskammer, dann Schweißbad: Ein Kraftklub-Fan hält durch

Das ist Schicksal: Lydia Burkhardt feiert ihren 26. Geburtstag bei ihrem 26. Kraftklub-Konzert. Sie bringt so manches Opfer, um die Chemnitzer aus nächster Nähe zu sehen.


Von Tanja Goldbecher

Zwickau. Ein stämmiger Mann wirbelt mit einem weißen Laken durch die Luft. Den hochroten Gesichtern vor ihm bläst ein leichter Windhauch entgegen. Die Masse ist völlig überhitzt und kann trotzdem nicht still stehen. Das ist nicht etwa eine Szene aus einer finnischen Sauna-Party. Sie hat sich am Dienstag in der ersten Reihe des ausverkauften Kraftklub-Konzerts in der Zwickauer Stadthalle abgespielt.

Lydia Burkhardt weicht keinen Meter von dieser Frontlinie ab. Die Frau mit den leuchtend roten Haaren wird von rund 3000 Menschen gegen die Bühnenabsperrung gepresst. Was für manche der absolute Horror wäre, erfüllt der Leipzigerin einen Traum. Es ist das 26. Mal, dass sie der Chemnitzer Band live zujubelt – und das ausgerechnet an ihrem 26. Geburtstag. Um sich den Platz ganz vorn zu sichern, ist Lydia Burkhardt an ihrem Ehrentag durch ein Wechselbad der Gefühle gegangen. Tagsüber hielt sie neun Stunden bei knackigen Minusgraden vor der Stadthalle die Stellung. Schlafsack und Camping-Stuhl haben das Ausharren erträglicher gemacht. Eine Stunde vor Mitternacht kullern die Schweißperlen, ihre Frisur ist passé und die Schminke verlaufen.

Die 26-Jährige gehört zu den Mädels, die immer in der ersten Reihe stehen wollen. Über sie sagte Kraftklub-Sänger Felix Kummer schon vor vier Jahren im Interview mit der „Freien Presse“: „Sie wollen Steffens Oberschenkel.“ Und Steffen Israel fügte hinzu: „Sie sind verrückt.“ Ist es verrückt, seinen Urlaub nach den Tour-Daten einer Band zu richten und den Sternchen durch die ganze Republik zu folgen? Für Lydia Burkhardt ist das normal. Sie mag die deutschen Songtexte von Kraftklub und kann vortrefflich zu den flotten Indie-Rock-Stücken ausrasten. Sie trägt Kraftklub nicht nur auf dem T-Shirt, sondern auch im Herzen. Auch wenn Felix „unsere Fans sind jetzt Mainstream“ leicht ironisch ins Mikrofon singt, sind es genau diese Anhänger, die sämtliche Karten der Stadthalle aufgekauft haben. Vielleicht überrascht es die Musiker bei diesem Konzert sogar, als ihre Fans „Nazis raus“ im Chor anstimmen. Denn Sänger Felix deutet zwischen zwei Titeln an, dass ihn die derzeitigen Geschehnisse in seiner Heimat nachdenklich stimmen. „Ich schäme mich fast, dass ich trotzdem ein Lokalpatriot bin“, sagt er.

Für Lydia Burkhardt gibt es an diesem Abend nur eine Enttäuschung: Sie darf trotz ihres Schildes „Sie muss am Rad drehen“ nicht auf die Bühne, um an dem Song-Glücksrad zu drehen. Mitte Februar reist sie jedoch schon nach Prag, wieder ein Kraftklub-Konzert, aber neue Lokation, neues Glück.

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