Ob Kleider, Werkzeuge oder geerntetes Obst: Etwas zu tauschen oder zu verleihen liegt im Trend. Im Internet integrieren immer mehr Plattformen diese neue Konsumform in den Alltag der Nutzer.
Für vier Euro verkauft sie den gelben Fledermauspulli, die hellbraune
Bluse würde sie gern tauschen. Daniela Traumüller ist seit drei Jahren
bei der Online-Tauschbörse Kleiderkreisel aktiv. "Ich habe damals nach
einer Alternative zu Ebay gesucht", sagt Traumüller. Sie ist 29 Jahre
alt und arbeitet in Zwickau. Über 100 Kleider und Accessoires listet die
allein erziehende Mutter in ihrem Profil auf.
Daniela Traumüller praktiziert eine Konsumform, die der amerikanische
Wissenschaftler Martin Weitzman Sharing Economy nennt. Es geht um das
systematische Ausleihen oder Tauschen von Gegenständen. Die Güter
wechseln den Besitzer solange, wie sie zu gebrauchen sind. Der Motor für
die Ökonomie des Teilens sind elektronische Plattformen und soziale
Netzwerke. Der Wert von Besitz wird neu definiert.
"Ich schmeiße ungern Sachen weg, die noch brauchbar sind und freue
mich, wenn jemand anderes Verwendung dafür hat", erklärt Daniela
Traumüller. Mehrmals pro Woche geht sie zur Post, um Sachen zu
verschicken. Hier kommt die Währung des Gemeinschaftskonsums ins Spiel:
Vertrauen. Die Mitglieder hinterlassen sich gegenseitig Bewertungen.
Sätze wie: "Sehr nette und kompromissbereite Kreislerin - Dankeschön"
zeichnen sich über 300-mal auf Traumüllers Profil ab.
Kleiderkreisel ist eine gebührenfreie Plattform. 95 Prozent der Nutzer
sind Frauen und meistens zwischen 16 und 24 Jahre alt. "Die Idee hinter
dieser Seite ist, seiner Kleidung ein zweites Leben zu schenken und
somit dem Konsum einen neuen Sinn", sagt Sophie Utikal. Während ihres
Studiums hat sie mit zwei anderen Studenten 2009 die Online-Tauschbörse
in München gegründet. Mittlerweile hat die Seite über zwei Millionen
Mitglieder. In Foren geben sie sich untereinander Tipps zum Tauschen,
Verschenken und Verkaufen. Aus diesem Austausch entsteht eine
Gemeinschaft.
Genau darin könnte laut Carolin Baedeker, Wissenschaftlerin am
Wuppertaler Institut für Klima, Umwelt und Energie, ein Grund für diesen
Trend liegen. "Teilen und Tauschen hat eine lange Tradition. Nach dem
Krieg waren dafür eher ökonomische Gründe verantwortlich. Es wurden
Waren getauscht, an denen es mangelte", sagt Baedeker. In den
80er-Jahren stand bei den sich da etablierenden Kommunen das ökologische
Bewusstsein im Vordergrund. "Heute geht es den jungen Menschen eher um
das soziale Event und die soziale Interaktion, die dahinter steht",
erklärt die Wissenschaftlerin. Statussymbole wie Autos bedeuten der
jüngeren Generation nicht viel. Mobiltelefone sind dafür wichtiger
geworden. Die Ökonomie des Teilens breitet sich in allen Lebensbereichen
aus. Über die Smartphone-App Whyownit oder die Internetseite Frents
kann man herausfinden, wer in der Nähe eine Leiter oder PC-Boxen
verleiht. Lebensmittel kann man über Foodsharing verschenken. Und über
Couchsurfing lernt man im Urlaub Einheimische kennen.
Sharing Economy findet nicht nur als Hobby, sondern auch in der
Wirtschaft Anklang. "Die Unternehmen müssen sich darauf einstellen, dass
sie weniger Hardware und mehr Dienstleistungen um das Produkt herum
verkaufen werden", sagt Reinhard Loske, Professor für Politik,
Nachhaltigkeit und Transformationsdynamik an der Universität
Witten-Herdecke. Als Beispiel führt er die Automobilindustrie an. Viele
Menschen mieten ein Auto bei einem Händler, melden sich bei Carsharing
an oder suchen nach einer Fahrgemeinschaft im Internet.
Carolin Baedeker warnt davor, die Konsumform per se als
umweltfreundlich anzusehen. "Es ist gut, wenn ein T-Shirt weniger
produziert wird. Wenn es dann als Second Hand Ware verpackt durch halb
Deutschland verschickt wird, können wir einen Reboundeffekt erleben",
sagt Baedeker. Es werden zwar Ressourcen bei der Produktion gespart,
allerdings wieder Energie beim Transport verbraucht. Sharing Economy
kann sogar zu einem vermehrten Konsum anregen. "Es ist wichtig, dass man
selbstkritisch hinterfragt, was man wirklich braucht", empfiehlt
Baedeker. Ob der Trend tatsächlich zu einem kulturellen Wandel führt,
wird sich in den nächsten Jahren zeigen. Entscheidend ist, dass sich
nicht nur ein internetaffiner Mensch, sondern auch das Gros der
Gesellschaft auf diese Konsumform einlässt.
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