Tuesday 2 September 2014

Eine Hebamme kämpft um ihren Beruf


Die Geburtshilfe ist kaum noch rentabel. Das weiß auch die Politik. Nur verbessert hat sich nichts. Romy Leuteritz arbeitet trotzdem als freiberufliche Hebamme. Sie glaubt an die gesellschaftliche Bedeutung ihrer Arbeit.  

Romy Leuteritz sagt, es sei ein Naturereignis, etwas Einmaliges, Gigantisches - die Geburt eines Menschen. Die Hebamme liebt es, schwangeren Frauen eine Vertraute und Stütze zu sein. Sie zweifelt jedoch, wie lange sie ihren Beruf noch ausüben kann. In den vergangenen zehn Jahren ist die Haftpflichtversicherung für Geburtshilfe von rund 450 Euro auf etwa 4240 Euro pro Jahr gestiegen. Im Juli steht die nächste Erhöhung auf dann 5090 Euro an.


Das Problem: Geht bei der Geburt etwas schief, haften Hebammen dafür - und zwar 30 Jahre lang. "Da es mittlerweile in Deutschland nur noch wenige Anbieter für eine Berufshaftpflichtversicherung für Hebammen gibt, findet kein Wettbewerb mehr statt", erklärt Ann Marini, stellvertretende Pressesprecherin des GKV-Spitzenverbands. "Die starken Erhöhungen der letzten Jahre sind ein Ergebnis davon", fügt sie hinzu. Oftmals gehen die Versicherungen von einer Vollzeitstelle aus. "Viele freiberufliche Hebammen arbeiten aber nicht voll", sagt die Sprecherin. Rund 18.000 Hebammen gibt es in Deutschland. Fast zwei Drittel von ihnen arbeiten freiberuflich. Romy Leuteritz sagt dazu, dass die Hebammen selbst bei einer Vollzeitstelle nicht von der Geburtshilfe leben könnten.

Auch Romy Leuteritz ist selbstständig. 2005 eröffnete sie mit zwei Kolleginnen in Lichtenstein eine Hebammenpraxis. Zusätzlich ist Leuteritz eine Beleghebamme im Krankenhaus. Das heißt, dass sie Frauen auch bei der Entbindung im Kreissaal betreut. In den letzten Wochen der Schwangerschaft kann sie zu jeder Tages- und Nachtzeit angerufen werden. Wie viele Stunden sie pro Woche arbeitet, kann sie nicht genau sagen. Geburten sind schlecht kalkulierbar.

Hebammen können die Mehrkosten nicht auf die schwangeren Frauen umlegen. Ein Vertrag zwischen den Hebammenverbänden und den gesetzlichen Krankenkassen regelt, wieviel freiberufliche Hebammen für ihre Leistungen abrechnen dürfen. In der Vergütungsvereinbarung von Januar 2013 steht, dass bei einer Hausgeburt 694 Euro berechnet werden. Als Beleghebamme im Krankenhaus sind es 273 Euro. Sozialversicherungen und Steuern gehen von dem Geld ab. So kommen die Hebammen auf einen Stundenlohn von rund 7,50 Euro.

"Ich kann davon als Mutter von drei Kindern nicht leben", sagt die 38-Jährige. Im vergangenen Jahr erlebte die Hebamme, wie 30 Kinder geboren wurden: 12 davon waren Hausgeburten. Für Romy Leuteritz muss Arbeit wirtschaftlich sein. Wenn es soweit ist, dass sie Geld investiert, um zu arbeiten, dann wird auch sie aufhören.

Eine Hebamme, die Ende 2012 aus diesem Grund ihre Praxis in Mülsen St. Micheln geschlossen hat, ist Katrin Plath. In den letzten Monaten vor der Schließung wurde die Freude an ihrem Beruf von wirtschaftlichen Kämpfen überschattet. "Wir beobachten, dass immer mehr Kolleginnen die Geburtshilfe aufgeben", sagt Katharina Jeschke vom Deutschen Hebammenverband. Sie schätzt, dass viele freiberufliche Hebammen aus der Geburtshilfe zu Hause oder im Krankenhaus aussteigen werden. Das sieht Romy Leuteritz genauso. Viele lassen das "Kerngeschäft" bleiben und übernehmen nur noch die Vor- und Nachbetreuung.

Das Problem ist seit Jahren bekannt. Im Koalitionsvertrag steht: "Die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung mit Geburtshilfe ist uns wichtig." Die Regierung will die Situation beobachten und für eine "angemessene Vergütung" der Hebammen sorgen.
"Die Politik beobachtet schon seit Jahren, aber es passiert nichts", sagt Ruth Pinno entrüstet. Die Vorsitzende des Bundes freiberuflicher Hebammen Deutschlands fordert ein neu strukturiertes Versicherungssystem. "Geburtshilfe ist eine gesellschaftliche Aufgabe", betont Pinno. Sie sagt, dass es ab Mitte des Jahres keine außerklinische Geburtshilfe mehr geben wird.

"Schwangerschaften sind prägend für Frauen", erzählt Romy Leuteritz. "Wenn die Geburt gut lief, werden sie für das Leben stark gemacht." Sie berichtet, dass Hebammen schon immer in der Gesellschaft unbequem waren, weil sie sich für Frauen eingesetzt haben. Heute kämpfen sie dafür, dass Frauen selbst entscheiden können, wie und wo sie ein Kind auf die Welt bringen. Diese Entscheidungsmöglichkeit könnte bald wegfallen.

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