Wednesday, 7 January 2015

Glaube, Liebe und Hoffnung

Weihnachten 2014, Foto: T. Goldbecher

Der Heiligabend ist für viele Menschen etwas Besonderes. Beim Blick in die erleuchteten Stuben wird schnell klar, dass an diesem Tag bei Christen, Muslimen, Buddhisten und Atheisten die Grenzen der Glaubensgemein- schaften verschwimmen.


Eine Protestantin sehnt sich nach ihrer Heimat: Tausende Kilometer trennen sie von ihrer Familie. Seit drei Jahren lebt Annegret Oehme in Dunham in North Carolina. Dort schreibt die 29-Jährige ihre Doktorarbeit im Fach Germanistik. Zu Weihnachten zieht es sie zurück in ihre Heimat - nach Stenn, einem Ortsteil von Lichtentanne. "In den USA ist alles sehr bunt und mit Rentieren auf den Dächern geschmückt", sagt Oehme. Ganz besinnlich erscheinen ihr da die kleinen Lichter der Schwibbögen. Zu Hause warten Vater, Schwester, Schwager und vier Neffen auf ihre alljährliche Rückkehr. Tradition und der christliche Glaube spielen in der Familie eine große Rolle. Am Nachmittag des 24. Dezembers geht es zur Christvesper in die Friedenskirche in Zwickau. Das Essen besteht aus Omas Kartoffelsalat und Würstchen. "Schneeflöckchen" klimpert aus der warmen Stube, bis die zwei Jüngsten, Matti und Lenni, als Weihnachtszwerge hereinschneien und die Geschenke verteilen. Der restliche Abend vergeht im Spiel. Aber nicht zu lange. Denn am nächsten Morgen klingeln die Wecker um 4.30 Uhr: Noch vor dem Frühstück beginnt die Christmette.

Ein syrischer Muslim verteilt Geschenke: Eigentlich feiert er kein Weihnachten. Da sein Bruder mit einer deutschen Frau in Werdau verheiratet ist, wird Ebrahim Adla trotzdem den Heiligabend feiern. "Wir trinken keinen Alkohol und essen kein Schweinefleisch", sagt Adla. Aber ein Festmahl gibt es trotzdem. Auch Geschenke tauschen sie aus. Neben dem Stollen steht die arabische Süßspeise Baklava auf dem Tisch. Ebrahim Adla stammt aus Syrien. Vor zehn Jahren ist er nach Deutschland gekommen. Und vor drei Jahren hat er in der Hauptstraße in Zwickau einen Döner-Imbiss eröffnet. Ihm gefällt die weihnachtliche Dekoration in der Stadt: "Die finde ich wirklich sehr schön." So wie jeden Tag wird er auch am 24. Dezember für den Frieden und das Wohl der Menschen beten. Im Islam gibt es zwei Hauptfeste: Ramadan und das Opferfest. Der Monat Ramadan ist die islamische Fastenzeit, in der Muslime von der Morgendämmerung bis zum Sonnenuntergang keine Speisen und Getränke zu sich nehmen. Das Opferfest wird etwa 70 Tage nach dem Ramadan gefeiert. Das Fest erinnert an den Propheten Abraham.

Ein Buddhist freut sich über die Lichter in der dunklen Zeit:
Sebastian Hübsch sitzt auf einem roten Kissen. Die Beine verschränkt er ineinander. Während der Meditation blickt er auf eine Buddhafigur, die in Augenhöhe auf dem Altar vor ihm steht. "Ich dachte mir, dass es noch mehr geben muss als ich sehen und anfassen kann", sagt der 32-Jährige aus Oberlungwitz. Vor acht Jahren hat er sich auf die Suche begeben und seine geistige Heimat im Buddhismus gefunden. Mittlerweile meditiert Hübsch zweimal pro Woche in der Gruppe des Diamantenweg-Buddhismus in Chemnitz. Weihnachten spielt in der Religion keine Rolle. Da Sebastian Hübsch der einzige Buddhist in seiner Familie ist, feiert er das Fest wie viele andere Menschen. "Für mich ist das die schönste Zeit im Jahr", sagt der Pädagoge. Die vielen Lichter und die Zeit mit der Familie bedeuten ihm viel. Im Buddhismus hängt das Glück zwar nicht von materiellen Dingen ab. In der Familie werden trotzdem Geschenke ausgetauscht. Denn über die Wertschätzung freuen sich die Erwachsenen genauso wie die zwei Kinder.
Im Buddhismus gibt es keine Vorschriften. Damit kann jeder selbst entscheiden, ob und wie er die Weihnachtszeit verbringt. Sebastian Hübsch ist überzeugt: "Weihnachten ist heute auch nicht mehr nur ein christliches Fest."

Eine Atheistin verbreitet Nächstenliebe: Weihnachten ist das Fest der Liebe. Bei Elke Gudrun Heber trifft das ganz besonders zu. Vor 51 Jahren am 23. Dezember hat sie ihrem Mann das Ja-Wort gegeben. An den Feiertagen freut sich die Rentnerin, wieder ein Ehejahr erlebt zu haben. An die Geburt Christi denkt sie nicht. Denn Elke Heber ist Atheistin. Als sie in den 60er-Jahren Lehrerin werden wollte, ist sie aus der Kirche ausgetreten. Heute sind trotzdem viele ihrer Freunde Christen. "Wir tolerieren uns gegenseitig", sagt Heber. Im Laufe der Jahre hat sie ihre eigene Weihnachtstradition entwickelt. In diesem Jahr wird es besonders schön, weil ihre Tochter mit den zwei Enkeln aus Nürnberg kommt. "Weihnachten ist am schönsten, wo kleine Kinder sind", sagt die 70-Jährige. Gegessen wird eine Bayrische Spezialität: Weißwürste mit Sauerkraut. Die ganze Familie geht nachmittags am Stausee in Hölzel spazieren. Zum Kaffee wird der eigene Stollen im Kerzenschein angeschnitten. In der Stube dreht sich der Tannenbaum zu "Kling Glöckchen" im Kreis. Nach der Bescherung schaut die Familie die Sendung "Weihnachten in Familie" mit Frank Schöbel. Und wenn sie lange wach bleibt, folgt ab 22 Uhr das Weihnachtsoratorium in der Thomaskirche. "Auch wenn wir nicht gläubig sind, denken wir an die anderen", sagt Heber. Das ganze Jahr über singt sie im Glauchauer Frauenchor Cantaria und ist ein Mitglied im Ortschaftsrat und Seniorenbeirat. "Nächstenliebe muss nicht von der Religion bestimmt werden", sagt sie.
 

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