Wednesday 25 May 2016

Trotz Arbeitsvertrags: Familie bangt um Zukunft in Deutschland

Die Nurzais leben seit drei Jahren in Zwickau. Nun wurde der Asylantrag der Mutter von drei Kindern abgelehnt, obwohl ihr Mann einen Job gefunden hat. Ein Chemnitzer Anwalt sieht jedoch eine Chance, dass sie bleiben kann.

Von Tanja Goldbecher

Wilkau-Haßlau. Die Familie Nurzai lebt seit drei Jahren in Zwickau. Die zwei Söhne und die kleine Tochter sind 13, elf und ein Jahr alt. Der Vater Taghi Nurzai sagt, dass sie vor den Taliban aus Afghanistan fliehen mussten. Als das Fluchtboot in der Ägäis kenterte, sei ein zweijähriges Kind der Familie ertrunken - ein Mädchen. Doch in den letzten Wochen schien sich das Schicksal zum Besseren zu wenden. Taghi hatte in Wilkau-Haßlau eine Arbeit gefunden. Einen Strich durch die Rechnung macht ihm nun eine Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf). Es hat den Asylantrag seiner Frau Fahima Nurzai am 20. Februar abgelehnt. Ihr wurden vier Wochen Zeit gegeben, um auszureisen. Warum die Frau nicht bleiben darf, darüber gab die Behörde der "Freien Presse" keine Auskunft.

"Höflich, pünktlich und lernwillig", so beschreibt Holger Liebelt seinen neuen Mitarbeiter - Eigenschaften, die er bei deutschen Bewerbern zum Teil vergeblich suchte. Taghi Nurzai arbeitet seit diesem Jahr für die Firma Liebelt Haustechnik in Wilkau-Haßlau. In einem sechswöchigen Praktikum lernte der Afghane zunächst die Arbeitsabläufe im Lager der Firma kennen. Seit diesem Monat hat ihn der Unternehmer fest angestellt. Dem Familienvater ist es allerdings vorläufig nur gestattet, bis Juni in Deutschland zu bleiben.

"Die geflüchteten Menschen sind jetzt hier, und darum müssen wir ihnen auch helfen", sagt Liebelt. Der ehemalige FDP-Stadtrat kritisiert die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung. Gemeinsam mit seinen Parteifreunden will er sich darauf konzentrieren, Lösungen zu finden. Viele Firmen würden vergeblich nach guten Lehrlingen und Mitarbeitern suchen. So kam ihm die Idee, selbst einen Asylbewerber zu beschäftigen. Eine Parteifreundin stellte daraufhin den Kontakt zur Familie Nurzai her.

Bis der afghanische Familienvater in seinem Betrieb arbeiten konnte, war es ein langer Weg. Zunächst brauchte er eine Arbeitsgenehmigung vom Bamf. Als Taghi Nurzai diese im Dezember vergangenen Jahres erhielt, lief seine Aufenthaltsgestattung ab. Wieder war ein Antrag nötig, um diese zu verlängern.
Die größte Herausforderung lag für den Unternehmer jedoch woanders. "Am Anfang hat Herr Nurzai fast kein Deutsch gesprochen, sodass er die Arbeitsanweisungen nicht verstehen konnte", sagt Liebelt. Der geförderte Sprachkurs mit 30 Personen an einer Zwickauer Berufsschule habe nichts gebracht. Ein Intensivkurs wäre nötig, dafür gebe es allerdings kein Geld. Aber auch das sollte kein Hindernis sein.
Mitarbeiterin Anett Kakoschky nahm sich Zeit, um dem 37-jährigen Afghanen Deutsch beizubringen. Holger Liebelt sagt, dass die Verständigung noch immer schwierig ist, sich jedoch sehr verbessert hat. Zudem habe sich die Stimmung in seinem Unternehmen verändert. "Am Anfang waren meine Mitarbeiter skeptisch", sagt er. Diese Skepsis sei verflogen, Taghi Nurzai gehöre wie selbstverständlich zum Team.

Liebelt, der die Nurzais bereits mehrmals zum Tee besucht hat, ist über die Entscheidung der Behörde, der Mutter kein Asyl zu gewähren, schockiert. Gemeinsam mit der Familie ist er zu einem Anwalt nach Chemnitz gefahren, der sich seit zehn Jahren mit Asylrecht beschäftigt. Rechtsanwalt Marcel Kühn will nun gegen die Ablehnung des Asylantrags Klage einreichen. "Die Chancen stehen sehr gut, dass die Frau in Deutschland bleiben kann", sagt Kühn. Denn der Gesundheitszustand der Mutter sei nach dem Verlust ihres zweijährigen Kindes sehr schlecht. Außerdem würden die deutschen Behörden darauf Rücksicht nehmen, Familien nicht zu trennen. Vom Bamf heißt es, dass es sich zu dem Fall aus Datenschutzgründen nicht äußert.

Nachdem die Linke-Bundestagsabgeordnete Sabine Zimmermann von dem Schicksal der Familie erfahren hatte, schrieb sie einen Brief an Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU). Darin betonte die Politikerin, dass die Abschiebung der Mutter das Familienleben zerstören würde und grausam sei. "Ich appelliere inständig an Sie, die Möglichkeiten des Bundeskanzleramtes zu nutzen, um diese wie ich meine fatale Fehlentscheidung noch abzuwenden", heißt es in dem Schreiben. Eine Antwort hat die Abgeordnete bis jetzt nicht erhalten.

3 comments:

  1. Hach, da kommen einem die Tränen! Als wenn nicht alle Beteiligten wüssten, dass der nette Aufbauhelfer hierbleibt. Gibts dazu in vier Wochen eine Fortsezung Deinerseits? Würde meiner Meinung wenig Sinn ergeben, wenn man Herrn und Frau Nurzai nebst Anhang mit viel Mühe und Einsatz hier hergelotst hat um sie dann wieder gehen zu lassen.

    Gruß
    Tommi

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  2. Fall Nurzai: Mutter ist noch in Zwickau
    Von Tanja Goldbecher

    Zwickau - Das Schicksal der afghanischen Familie Nurzai ist weiter offen. Die Mutter von drei Kindern muss derzeit nicht aus Deutschland ausreisen – ihr Chemnitzer Anwalt hat gegen den abgelehnten Asylantrag Klage eingereicht. Laut Jurist Marcel Kühn kann sich das Verfahren nun ein bis zwei Jahre hinziehen. Ändern könnte sich der Fall, falls auch der Asylantrag des Vaters abgelehnt würde. Dann müsste die Familie Zwickau verlassen.

    Auf die schwierige Lage der Familie Nurzai hatte der Unternehmer Holger Liebelt (FDP) aufmerksam gemacht. Er beschäftigt den Familienvater Taghi Nurzai seit März in seiner Firma Liebelt Haustechnik in Wilkau-Haßlau. Seitdem der Lehrer und FDP-Politiker Jörg Ungethüm von dem Schicksal der Familie erfahren hatte, ist er ebenfalls involviert. Jeden Freitag bringt er Taghi Nurzai ehrenamtlich Deutsch bei. Die Fortschritte, die der 37-jährige Afghane erzielt, seien bemerkenswert. „Taghi Nurzai ist jedes Mal sehr dankbar für den Unterricht“, sagt Ungethüm. Dessen Frau, die von der Abschiebung bedroht ist, nimmt nicht an den Stunden teil.

    Mittlerweile hat auch die Bundestagsabgeordnete Sabine Zimmermann (Linke) eine Antwort aus dem Kanzleramt erhalten. Darin heißt es, dass das „Bundeskanzleramt asylrechtliche oder ausländerrechtliche Entscheidungen weder herbeiführen noch beeinflussen kann“. Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) empfiehlt Zimmermann, sich mit dem Anwalt der Familie in Verbindung zu setzen. Zimmermann hat bereits Kontakt mit der Landtagsabgeordneten Juliane Nagel (Linke) aufgenommen. Diese hatte beim Freistaat nachgefragt, wie viele Afghanen im vergangenen Jahr aus Sachsen ausgewiesen worden sind. Demnach gab es keine Abschiebungen, da oft Reisedokumente fehlten. Im Oktober 2015 lebten etwa 3400 Afghanen im Freistaat. Nagel würde den Fall Nurzai gegebenenfalls der Härtefallkommission vorgelegt.

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  3. "Ändern könnte sich der Fall, falls auch der Asylantrag des Vaters abgelehnt würde. Dann müsste die Familie Zwickau verlassen."

    Zu der Schlussfolgerung gint es keinerlei Grund.
    Und selbst, wenn dem so wäre:

    "Demnach gab es keine Abschiebungen, da oft Reisedokumente fehlten."

    Pass wegschmeißen. Dumm stellen. Lernt man doch als erstes von den "Ehrenamtlichen".

    Gruß
    Tommi

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