Thursday, 2 April 2015

Rumänischer Arzt kommt in sächsischer Kleinstadt an

Die kreiseigene Krankenhausgesellschaft LMK beschäftigt allein sieben Mediziner aus Rumänien. Diese Entwicklung zeigt sich in ganz Sachsen. Walid Raqati zählt zu mehr als 160 rumänischen Ärzten, die im Freistaat praktizieren.


Mittweida/Chemnitz. Walid Raqati kommt gerade aus einer 24-Stunden-Schicht. Eine Stunde hat er in dieser Nacht geschlafen. Sein Blick ist trotzdem hellwach. Der 30-Jährige arbeitet seit fünf Jahren als Internist am Krankenhaus in Mittweida. Dass der Assistenzarzt nicht aus Deutschland kommt, verraten lediglich einzelne Worte, die er anders betont. Gemeinsam mit seiner Frau Elena ist er aus Rumänen ausgewandert.
Walid Raqati ist einer von sieben rumänischen Ärzten, die für die kreiseigene Krankenhausgesellschaft LMK arbeiten. In ganz Sachsen waren es 2013 rund 160 Mediziner aus dem osteuropäischen Land. Vor acht Jahren wurden noch etwa 30 rumänische Ärzte registriert.

Laut Landesärztekammer gibt es mehrere Gründe, warum die Mediziner vermehrt nach Deutschland eingewandert sind: Immer häufiger gelingt es den Kliniken nicht, Nachfolger für ausscheidende Fachärzte zu finden. Daher haben manche Krankenhäuser oder Personalagenturen gezielt Mediziner aus dem Ausland angeworben. "Bei Rumänien könnte es auch der Beitritt zur EU oder der Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt gewesen sein", sagt Knut Köhler, Sprecher der Ärztekammer.
So war es auch bei Walid Raqati. Gegen Ende seines Studiums in Rumänien schlug ihm eine deutsche Vermittlungsfirma vor, sich in Mittweida als Assistenzarzt zu bewerben. Er bekam eine Anstellung. Seine Frau fing in der Klinik ebenfalls als Internistin an. Das Krankenhaus half dem Paar, eine Wohnung zu finden, eine Krankenversicherung abzuschließen und ein Konto zu eröffnen. Sich an das Leben in dem fremden Land zu gewöhnen, war zwar noch schwer. Aber das Gefühl, willkommen zu sein, hat ihnen geholfen, sich einzuleben. Vor zwei Jahren kam ihr erster Sohn Amir zur Welt.
2003 hatte Walid Raqati begonnen, in der rumänischen Stadt Oradea nahe der ungarischen Grenze Medizin zu studieren. Fünf Jahre später kam er nach Deutschland, um in Ingolstadt ein Praktikum zu absolvieren. "Die Krankenhäuser in Rumänien sind schlecht ausgestattet", sagt Raqati. Dort hat er viel Zeit am Schreibtisch verbracht. "Wie man eine Kanüle legt, habe ich erst in Deutschland gelernt." Es folgten ein zweites Praktikum und etliche Städtetouren durch die Republik. Für ihn stand danach fest, dass er in Deutschland arbeiten möchte.

Und hier wird er auch gebraucht. Pro Tag lassen bis zu 50 Patienten in Mittweida ihren Darm oder Magen untersuchen. In der Inneren Medizin in Mittweida werden zurzeit wieder zwei neue Ärzte gesucht. "An kleineren Kliniken müssen die Ärzte häufiger Dienste übernehmen", sagt Chefarzt Manfred Dörne. Die hohe Arbeitsbelastung schrecke so manchen jungen Bewerber aus Deutschland ab. Zudem spielt es für Dörne keine Rolle, woher ein Arzt stammt.
"Das Wichtigste ist die Sprachkompetenz", sagt er. Walid Raqati hat beim Goethe-Institut in Thüringen einen Deutschkurs absolviert. "Heute rede ich manchmal mit mir selbst auf Deutsch", sagt er. Raqati scheut keine Patientengespräche, zumal er ab und zu eine neue Vokabel aufschnappt.
Die Klinik in Mittweida schickt ihre ausländischen Ärzte nach Chemnitz an die Volkshochschule. Christina Müller unterrichtet dort Medizindeutsch. Sie bringt ihren Schülern zum Beispiel bei, dass Appendix auf Deutsch Blinddarm heißt. "Mit solchen Wörtern haben die Ärzte Probleme, weil sie in ihren Ländern oft das lateinische Fachwort verwenden", sagt Müller. Auch Patientengespräche übt sie mit den Medizinern. Viele Schüler würden sich sogar einen Kurs in Sächsisch wünschen.

"Keine Stadt kann behaupten, dass es so etwas bei ihr nicht gibt."
 Allen Integrationsbemühungen zum Trotz wurde Raqati auch schon mit Ausländerfeindlichkeit im Alltag konfrontiert. Drei- oder viermal ist er bisher in einer Nachtschicht Rechtsradikalen begegnet. Es waren junge Männer, die betrunken in der Notaufnahme gelandet sind. Raqati erinnert sich, dass sie nach einem deutschen Arzt geschrien haben. Sie wurden aggressiv, beschimpften ihn und haben nach ihm gespuckt. "Ich habe das einfach ignoriert, bin ruhig geblieben", sagt Raqati. Wenn es zu schlimm wurde, hat er die Polizei gerufen.
Wegen Rechtsextremismus ist Mittweida 2007 in die Schlagzeilen geraten. Die Presse stand Schlange vor dem Rathaus, als bekannt wurde, dass einem Mädchen ein Hakenkreuz in die Haut geritzt worden sein soll. Selbst als Zweifel an dem Fall laut wurden, blieb das Image der Stadt beschädigt. Die Neonazi-Organisation „Sturm 34“ hatte ebenfalls Aufsehen in Mittweida erregt, bis sie 2007 verboten wurde. Nachdem die mutmaßlichen Anführer der Gruppe die Stadt 2010 verlassen haben, nahm die rechte Gewalt ab."Keine Stadt kann behaupten, dass es so etwas bei ihr nicht gibt", sagt Bürgermeister Matthias Damm (CDU).  Heute seien die Behörden, Schulen und sozialen Einrichtungen für das Thema sensibilisiert. „Wir dürfen uns nicht zurücklehnen“, sagt Damm. Denn so eine Bewegung kann jederzeit wieder aufkommen.
Generell macht Raqati sich um den Rechtsextremismus keine Sorgen: "Ich bin kein Typ, der Angstzustände hat." Laut sächsischem Verfassungsschutz ist Mittweida aktuell auch keine Hochburg rechtsextremer Aktivitäten.
Für Walid Raqati steht in einem Jahr seine letzte Facharztprüfung an. Er möchte auch danach mit seiner Familie in Mittweida bleiben.

No comments:

Post a Comment