Wednesday 25 May 2016

Süchtige Kinder: Wenn Eltern verzweifeln

Selbsthilfegruppen für Mütter und Väter von abhängigen Jungen und Mädchen sind in Sachsen selten. In Zwickau gibt es eine. Dafür reisen sogar Angehörige aus dem Erzgebirge und Vogtland an.

Von Tanja Goldbecher

Zwickau. Sein Sohn war zwölf Jahre alt, als Christian Scholze* merkte, dass etwas mit ihm nicht stimmt. In der Schule bekam das Kind schlechtere Noten, es zog sich zurück und fing an, seine Eltern zu belügen. Der Junge begann zu stehlen, um an Geld und damit an Drogen zu kommen: Alkohol, Cannabis und Crystal. Die ganze Familie fing an, unter der Sucht des Sohnes zu leiden.

Fünf Jahre später saß der Junge auf der Anklagebank. Ein Richter gestattete ihm jedoch, statt einer Gefängnisstrafe eine Therapie zu absolvieren. "Das Wasser stand uns zu damals bis zum Hals", sagt der Vater. Den Scholzes wurde schlagartig bewusst, dass sie etwas tun müssen. 2003 kontaktierte das Ehepaar das Blaue Kreuz in Zwickau, um als Familie Hilfe zu bekommen.

Sandra Mühle, die für den christlichen Träger als Streetworkerin arbeitet, hat es in ihrer Laufbahn immer wieder erlebt, dass nicht nur Suchtkranke, sondern auch deren Angehörige Unterstützung brauchen. 2007 gründete sie eine Selbsthilfegruppe für Eltern von suchtkranken Kindern und Jugendlichen. Die Gruppe sollte vor allem den Austausch unter den Müttern und Vätern ermöglichen. Als Gruppenleiter fielen ihr Christian Scholze und dessen Frau ein, die sie schon seit Jahren begleitet hatten. Die Zwickauer Selbsthilfegruppe zählt zu den wenigen Angeboten in Sachsen, die sich explizit an Eltern suchtkranker Kinder richten. Dafür reisen auch Angehörige aus dem Erzgebirge und dem Vogtland an. Weitere Elternkreise gibt es zum Beispiel in Dresden, Bautzen und Chemnitz. Zudem bietet die Internet-Plattform Elsa bundesweit Beratungen für Mütter und Väter an.

Einmal pro Monat trifft sich die Zwickauer Selbsthilfegruppe in der Planitzer Baptisten-Gemeinde. "Oft sind Angehörige viel kommunikativer als die Betroffenen", sagt Sandra Mühle. Ein Patentrezept, das sich einige Eltern erhoffen, gebe es jedoch nicht. "Die Eltern erwarten oft, dass ihr Kind sich ändert", sagt Christian Scholze. Dafür müsste sich aber zunächst das Verhalten der Eltern ändern. "Erst dann bekommen die Kinder eine Chance, selbst etwas zu verändern", fügt der Gruppenleiter hinzu. Ein wichtiger Bestandteil der Arbeit mit den Eltern ist es, ihnen klar zu machen, dass sie sich weder schämen noch Schuldgefühle haben müssen. "Niemand will, dass sein Kind süchtig wird", sagt Scholze. So wird auch die Co-Abhängigkeit thematisiert: Viele Mütter und Väter würden auch anfangen zu lügen, um ihre Kinder zu schützen, wenn diese zum Beispiel die Schule schwänzen. "Sie helfen aber nicht, sondern bringen die Kinder dazu, dass sie keine Verantwortung für ihr Handeln übernehmen", sagt Christian Scholze. Häufig sei es so, dass Mütter diesen Schutzinstinkt noch ausgeprägter haben als Väter. Genau das sei auch für die Partnerschaft eine harte Probe.
Christian Scholzes Sohn schien zunächst auf dem richtigen Weg zu sein, dann traf er sich wieder mit den alten Kumpels und wurde Rückfällig. Dieses Mal wollte sich der Junge selbst von seiner Sucht befreien und begab sich wieder in Therapie. Heute wohnt er nicht mehr in Zwickau. In einem neuen sozialen Umfeld konnte er die Sucht überwinden und eine Lehre absolvieren. Seine Eltern helfen heute anderen.
*Name von der Redaktion geändert.

Kontakt zur der Selbsthilfegruppe für Eltern von suchtkranken Kindern und Jugendlichen kann per E-Mail hergestellt werden. shg.elternkreisjugendlicher@web.de

3 comments:

  1. Solche Suchtberater sind in der Regel selber Verfechter liberaler Drogenpolitik. Ergibt (rein ökonomisch betrachtet) auch Sinn: So wird man nicht arbeitslos. Oder hast Du da andere Erfahrungen gemacht?

    Gruß
    Tommi

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  2. Der ganze Kapitlismus beruht auf Konsum. Gegenfrage: Wie habt ihr denn das Video von Herrn Cörber aufgespürt?

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  3. Ich dachte, Du bist gegen Kapitalismus?
    Das andere werd ich hier natürlich nicht reinschreiben. Aber Du hast ja meine Nummer noch.

    Gruß
    Tommi

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