Wednesday, 25 May 2016

Süchtige Kinder: Wenn Eltern verzweifeln

Selbsthilfegruppen für Mütter und Väter von abhängigen Jungen und Mädchen sind in Sachsen selten. In Zwickau gibt es eine. Dafür reisen sogar Angehörige aus dem Erzgebirge und Vogtland an.

Von Tanja Goldbecher

Zwickau. Sein Sohn war zwölf Jahre alt, als Christian Scholze* merkte, dass etwas mit ihm nicht stimmt. In der Schule bekam das Kind schlechtere Noten, es zog sich zurück und fing an, seine Eltern zu belügen. Der Junge begann zu stehlen, um an Geld und damit an Drogen zu kommen: Alkohol, Cannabis und Crystal. Die ganze Familie fing an, unter der Sucht des Sohnes zu leiden.

Fünf Jahre später saß der Junge auf der Anklagebank. Ein Richter gestattete ihm jedoch, statt einer Gefängnisstrafe eine Therapie zu absolvieren. "Das Wasser stand uns zu damals bis zum Hals", sagt der Vater. Den Scholzes wurde schlagartig bewusst, dass sie etwas tun müssen. 2003 kontaktierte das Ehepaar das Blaue Kreuz in Zwickau, um als Familie Hilfe zu bekommen.

Trotz Arbeitsvertrags: Familie bangt um Zukunft in Deutschland

Die Nurzais leben seit drei Jahren in Zwickau. Nun wurde der Asylantrag der Mutter von drei Kindern abgelehnt, obwohl ihr Mann einen Job gefunden hat. Ein Chemnitzer Anwalt sieht jedoch eine Chance, dass sie bleiben kann.

Von Tanja Goldbecher

Wilkau-Haßlau. Die Familie Nurzai lebt seit drei Jahren in Zwickau. Die zwei Söhne und die kleine Tochter sind 13, elf und ein Jahr alt. Der Vater Taghi Nurzai sagt, dass sie vor den Taliban aus Afghanistan fliehen mussten. Als das Fluchtboot in der Ägäis kenterte, sei ein zweijähriges Kind der Familie ertrunken - ein Mädchen. Doch in den letzten Wochen schien sich das Schicksal zum Besseren zu wenden. Taghi hatte in Wilkau-Haßlau eine Arbeit gefunden. Einen Strich durch die Rechnung macht ihm nun eine Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf). Es hat den Asylantrag seiner Frau Fahima Nurzai am 20. Februar abgelehnt. Ihr wurden vier Wochen Zeit gegeben, um auszureisen. Warum die Frau nicht bleiben darf, darüber gab die Behörde der "Freien Presse" keine Auskunft.

"Höflich, pünktlich und lernwillig", so beschreibt Holger Liebelt seinen neuen Mitarbeiter - Eigenschaften, die er bei deutschen Bewerbern zum Teil vergeblich suchte. Taghi Nurzai arbeitet seit diesem Jahr für die Firma Liebelt Haustechnik in Wilkau-Haßlau. In einem sechswöchigen Praktikum lernte der Afghane zunächst die Arbeitsabläufe im Lager der Firma kennen. Seit diesem Monat hat ihn der Unternehmer fest angestellt. Dem Familienvater ist es allerdings vorläufig nur gestattet, bis Juni in Deutschland zu bleiben.

Rechter Schatten liegt auf Zwickau

Die Stadt sorgt im Zusammenhang mit dem NSU und Rechtsextremismus immer wieder für Schlagzeilen. Bürger fordern, dass sich etwas ändert.

Von Tanja Goldbecher

Zwickau. Das gelb gestrichene Haus an der Zwickauer Frühlingsstraße ist abgerissen. Die drei Neonazi-Terroristen Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe verstecken sich dort schon seit vier Jahren nicht mehr. Der Rechtsextremismus wirft aber immer noch Schatten auf Zwickau. Zuletzt ist die Muldestadt am 1. Mai in den bundesweiten Schlagzeilen aufgetaucht, als Bürger, darunter etliche Rechtsextreme, die Kundgebung auf dem Hauptmarkt störten.

Das Ende der Pappel - in Zwickau kein Einzelfall

Von seinem Balkon aus blickt ein 78-Jähriger statt ins grüne Blätterwirrwarr nun auf eine rote Mauer. Mit dem gefällten Baum ist auch das Zwitschern der Vögel aus dem Innenhof verschwunden.

Von Tanja Goldbecher

Zwickau. Wenn Olaf Böhm früher an der Mauritius-Brauerei vorbei gelaufen ist, hat er den Blick immer gen Himmel gerichtet. Bis zu seiner Wohnung an der Zwickauer Max-Pechstein-Straße waren es von dort aus noch etwa zehn Minuten zu Fuß. Die grüne Spitze der riesigen Pappel aus seinem Innenhof sah er aber schon über die Dächer ragen. Die Augen auf diesen Punkt fixiert, kam er seiner Heimat langsam näher.

Wenn der 78-Jährige heute diesen Weg geht, schmerzt ihn die Aussicht. Denn die Pappel, die noch älter als er gewesen sein muss, gibt es nicht mehr. Im März fällten Arbeiter den Baum, ohne eine Ankündigung, ohne eine Erklärung. Als Böhm sie fragte, wer das veranlasst hat, bekam er keine Antwort. Geblieben ist ein Stumpf, eine mit hellen Holzspänen übersäte Wiese und eine Leere im Innenhof. "Der Baum war doch noch kerngesund", sagt der ältere Mann entrüstet. Äste seien lediglich an stürmischen Herbsttagen herabgesegelt.
Als der frühere Papiermacher bei seiner Hausverwaltung nachfragte, erklärte man ihm, sein Vermieter habe damit nichts zu tun. Auch der Inhaber der angrenzenden Knopf- fabrik habe nichts von der Abholzung gewusst. Tatsächlich stand der grüne Riese auf der Wiese des Grundstücks - es gibt jedoch keinen Zaun, und die Mieter teilen sich den Hinterhof.

Bettelei: Wenig akzeptiert, aber erlaubt

Immer wieder sitzen Menschen in der Zwickauer Innenstadt, die um Geld bitten. Während sich einige Passanten darüber aufregen, informieren andere Sozialarbeiter.

Von Tanja Goldbecher

Zwickau. Ein junger Mann kniet an einer Ecke an der Hauptstraße. Die Kapuze ist tief ins Gesicht gezogen. Vor ihm steht ein Pappbecher. Als ihm jemand Geld gibt, nickt er dankend. Er versteht weder Deutsch noch Englisch. "Slowakei" ist das einzige Wort, das der Mann sagt. In den folgenden Tagen kniet er immer wieder an verschiedenen Hausecken in Zwickau nieder. Ab und zu sitzt an denselben Plätzen eine Frau.

Grundsätzlich ist das Betteln laut Stadtsprecher Mathias Merz erlaubt. Es gibt jedoch Fälle, in denen das Ordnungsamt einschreiten müsse. Diese sind in der Polizeiverordnung festgehalten. Dort heißt es, dass aggressives Betteln verboten ist. Das trifft zu, wenn ein Bettler Passanten den Weg versperrt, sie beschimpft oder festzuhalten versucht. Auch betrunkene Bettler und jene, die im öffentlichen Raum urinieren, können des Platzes verwiesen werden. Die Polizei wird dann alarmiert, wenn das zuständige Ordnungsamt nicht erreichbar ist oder größere Schwierigkeiten zu erwarten sind. "Erfahrungsgemäß ist das für uns in der Vergangenheit aber kein massives Problem gewesen", sagt die Polizeisprecherin Anett Münster.