Wednesday 25 April 2018

Begrabene Schicksale

In diesem Jahr feiert der Friedhof in Meerane sein 150-jähriges Bestehen. Dort verbergen sich die Geschichten von vermögenden, verfolgten und vergessenen Bürgern.

Von Tanja Goldbecher

Meerane. Kaum ein Geräusch ist zu hören. Ab zu raschelt der Wind durch die Bäume, ein paar Vögel zwitschern in der Ferne. Auch Friedhofsverwalter Uwe Horn sagt kein Wort. Er schlägt den mittleren Weg auf dem Meeraner Friedhof ein. Nach ein paar Hundert Metern bleibt er stehen. "Das ist das Grab der Wertheims", sagt Horn. Es ist eine von 25 historischen Grabstätten auf dem Gelände. Zum diesjährigen 150. Bestehen des Friedhofs sollen die Geschichten dieser Menschen noch einmal erzählt werden.

Die Schrift auf dem Grabstein der jüdischen Familie Wertheim ist noch sehr gut lesbar. Ihr Schicksal lässt sich anhand weniger Worte ableiten. Josef Wertheim, Besitzer der Chemischen Fabrik Meerane, wurde im Alter von 79 Jahren in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Dort starb er 1942. Auch seine beiden Söhne Felix Oskar und Friedrich Walter wurden vorübergehend in ein Konzentrationslager gebracht. Sie schafften es jedoch, nach ihrer Entlassung nach Argentinien auszuwandern. Seinem dritten Sohn, Willy Wertheim, traf es am schlimmsten. Er wurde wegen seiner Verlobten der "Rassenschande" bezichtigt und in das Konzentrationslager Sachsenburg verschleppt. Dort wurde er so stark misshandelt, dass er seinen Verletzungen erlag. Die Geschichte dieser jüdischen Familie hat Meeranes Bürgermeister Lothar Ungerer (parteilos) bereits 2008 in einem Beitrag für das Amtsblatt der Stadt festgehalten.

Ein weiteres Beispiel einer historischen und sehr eindrucksvollen Grabstätte ist jene, der Familie Bornemann an der Außenmauer des Friedhofs. Die Bornemanns besaßen damals den größten Färbereibetrieb der Stadt. Die Firma befand sich bis 1930 an der Leipziger Straße 7, unter den Meeranern auch als ehemaliges Axa-Gelände bekannt. Johann Heinrich Bornemann war Geschäftsführer des Unternehmens und verfügte über ein Patent zum Schwarzfärben. Er wurde als Ehrenbürger der Stadt ausgezeichnet. Ein Brunnen im Erlengrund hinter der Tännichtschule erinnert ebenfalls an die Geschichte der Familie. Die Grabstätte auf dem Meeraner Friedhof sieht mittlerweile leicht verwittert aus. "Gräber dürfen auch altern", sagt Friedhofsverwalter Horn.

Er kann zu vielen alten Gräber etwas sagen. Carl Wilhelm Wunderlich, Charles Schmieder und Doktor Emil Bauer haben längst mehr als einen Grabstein in der Stadt hinterlassen. Eine Begräbnisstätte zieht Aufmerksamkeit jedoch besonders auf sich: Ein großes Kreuz, umklammert von einem weiblichen Engel aus hellem Gestein, überragt von einem dunklen Grabstein-Koloss. Die Familie Reinhold muss wohlhabend gewesen sein, wenn sie sich ein solches Denkmal setzen konnte. So war es auch. Eduard Reinhold besaß die mechanische Weberei an der damaligen Augustusstraße. Heute befindet sich an dieser Stelle der Simmel-Parkplatz in der Innenstadt. Eduard Reinhold hatte nie geheiratet und Kinder bekommen. Er lebte in einer Villa an der Stadionallee.

Etliche dieser historischen Gräber pflegt mittlerweile die Meeraner Stadtverwaltung. Uwe Horn will zum Friedhofsjubiläum im September Schilder anfertigen und an ausgewählten Grabstätten aufstellen. Denn auf dem Friedhof liegt mehr Stadtgeschichte begraben, als man auf den ersten Blick meinen möchte. Bis dahin soll auch die Sanierung der Trauerhalle abgeschlossen sein.

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