Wednesday, 6 November 2013

Syrischer Student kann sein Studium in Deutschland nicht finanzieren



Abdul Masih Hadaya lebt seit vier Jahren in Deutschland. Da seine Eltern vor dem syrischen Bürgerkrieg fliehen mussten, können sie ihm das Studium nicht länger bezahlen. Unterstützung vom deutschen Staat bekommt er bis jetzt nicht. Darum muss Abdul sein Studium in Chemnitz vielleicht abbrechen. 
 
Abdul Hadaya Masih; Foto: Privat
Abdul bedeutet auf Arabisch Diener. Und Masih bedeutet Messias. Hadaya steht für die Zeit, die man auf dem richtigen Weg verbringt. Abdul Masih Hadaya kommt aus Syrien. Ob er sich im Moment auf dem richtigen Weg befindet, kann er aber nicht sagen. Seit vier Jahren lebt der syrische Student in Deutschland. „Ich finde es immer noch gut, wenn ich korrigiert werde“, sagt Abdul. Von Anfang an war er sehr ehrgeizig Deutsch zu lernen. Wenn er spricht, kann man keinen Akzent mehr hören. Auch seine blauen Augen, die aus den schwarzen Locken und dem dunklen Bart hervorstechen, verraten seine Herkunft nicht.
Der 23-Jährige wollte nach der Schule unbedingt ins Ausland. In Deutschland wurde der Studiengang Drucktechnik angeboten, der ihn damals noch interessierte. Zunächst musste Abdul einen Deutschkurs besuchen. Er lebte in einige Monate in Zittau, Dortmund, Bottrop und Wuppertal. In Wilhelmshafen begann er dann Medizintechnik zu studieren.
„In meinem Studiengang war ich der einzige Ausländer. Da habe ich mich ausgeschlossen gefühlt“, berichtet Abdul. Zum Wintersemester 2011 wechselte er an die TU Chemnitz. Jetzt studiert er schon im 5. Semester den Bachelor in Medizintechnik. Damit ist Abdul einer von elf syrischen Studenten, die derzeit in Chemnitz leben. Wie lange er dort noch studieren kann, darüber zerbricht sich der junge Syrer gerade den Kopf. Als sich der syrische Bürgerkrieg in diesem Jahr zuspitze, mussten Abduls Eltern nach Schweden fliehen. Das Studium ihres Sohnes können sie jetzt nicht länger finanzieren. Nun steht Abdul auf eigenen Füßen.
Mit seinem Problem hat Abdul die Ausländerbehörde in Chemnitz aufgesucht. „Die haben mich nur gefragt, warum ich nicht arbeite und warum meine Eltern nicht für mich zahlen“, erzählt Abdul. Ausländischen Studierenden wird es erlaubt, 120 Tage im Jahr in Deutschland zu arbeiten. „Ich möchte neben dem Studium arbeiten“, erklärt Abdul. Auch seinen Eltern in Schweden würde er gern Geld überweisen. Wenn er seinen ganzen Lebensunterhalt selbst verdienen müsste, bezweifelt Abdul, ob er sein Studium schaffen könne. Eine staatliche Ausbildungsförderung, also Bafög, oder einen Studienkredit bekommt er bis jetzt nicht.
„Prinzipiell gibt es keine Möglichkeit für ausländische Studierende, die sich zum Zweck des Studiums in Deutschland aufhalten, finanzielle Förderung zu beantragen“, sagt Marko Rosteck, Pressesprecher der Stadt Chemnitz. Die Sicherung des Lebensunterhaltes aus eigenen Mitteln sei eine Voraussetzung für eine Aufenthaltserlaubnis zum Studium. Das bedeutet, dass die Studierenden den Bafög-Mindestsatz von 659€ im Monat zur Verfügung haben müssen.
Abdul als Kind in Syrien; Foto: Privat
Abdul ist längst kein Einzelfall. Dass viele syrischen Studierenden das gleiche Problem haben ihr Studium zu finanzieren, ist der Bundesregierung bekannt. „Vor dem Hintergrund des Bürgerkrieges in Syrien geraten syrische Studierende mit einer Aufenthaltserlaubnis nach Paragraf 16 Aufenthaltsgesetz teilweise in finanzielle Schwierigkeiten, weil die bisherige Unterstützung aus ihrer Heimat schwächer wird oder ganz ausbleibt“, heißt es in einem Bericht des Bundesministeriums des Innern (BMI). Deshalb gesteht die Bundesregierung ihnen eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen zu.
Die gesonderte Aufenthaltserlaubnis nach Paragraf 23 kann bei Bürgerkriegsflüchtlingen erteilt werden. „Der Vollzug dieser Aufnahmen fällt in die Zuständigkeit der Länder“, sagt Jenny Krüger, Sprecherin des BMI. Das Gesetz ermöglicht es bedürftigen Studierenden Bafög zu beantragen. Sie erhalten dann wie üblich zur Hälfte einen finanzielle Zuschuss und zur Hälfte ein zinsfreies Staatsdarlehen. Das Darlehen muss nach dem Studium zurückgezahlt werden. Damit wäre Abduls Problem eigentlich gelöst.
Das Gesetz kann aber nur geltend gemacht werden, wenn ein syrischer Student in dem jeweiligen Bundesland nachweist, dass die bisherige Finanzierung tatsächlich weggebrochen ist. In Abduls Fall sind die Eltern zwar nach Schweden geflohen, allerdings hatte er sie nicht für die Finanzierung seines Unterhalts bei der Einreise angegeben. Um für Deutschland ein Visum zu bekommen, musste Abdul eine finanzielle Absicherung nachweisen. „Ich hatte keine 8.000 Euro auf meinem Konto. Darum hat ein Freund der Familie, der schon in Deutschland gewohnt hat, für mich gebürgt“, berichtet Abdul. Genau dieser Freund der Familie, der sich für Abduls Absicherung verpflichtet hatte, müsste jetzt für ihn aufkommen. Da der Bekannte in Deutschland lebt, ist er von den Geschehnissen in Syrien nicht direkt betroffen. Abdul will aber auf keinen Fall den Freund der Familie um Geld bitten.
Die Zwickmühle ist perfekt. Denn wenn Abdul der Behörde jetzt mitteilt, dass sein Bekannter nicht für seinen Unterhalt sorgt, um eine Aufenthaltsgenehmigung aus humanitären Gründen zu beantragen, muss das gesamte Visum überprüft werden. Dabei läuft er Gefahr, die Aufenthaltsgenehmigung komplett zu verlieren.
Seit einer Woche wohnt Abdul in einer günstigeren Wohngemeinschaft in Bernsdorf. Doch noch immer plagen ihn die gleichen Sorgen. „Ich habe dem Amt auch vorgeschlagen, dass ich das gesamte Bafög nach meinem Studium zurückzahle“, sagt er. Abdul hofft darauf, mit seinem Abschluss in Medizintechnik eine gute Stelle in einem Krankenhaus oder in der Industrie zu finden.
Abdul in Deutschland; Foto: Privat
Der 23-Jährige überlegt jetzt sogar, ob er Asyl in Schweden beantragen soll, um näher bei seinen Eltern zu sein und sein Studium ohne Geldsorgen beenden zu können. Kontakt zu den schwedischen Universitäten hat er bereits aufgenommen. Den Studienort zu wechseln, ist aber gar nicht so einfach.
Die Familie Hayada gehört zu den katholischen Aramäern, die man auch syrische Christen nennt. In Aleppo, seiner Heimatstadt, besuchte Abdul eine christliche Grundschule. Seine Religion war damals nie ein Problem für ihn. Er hatte muslimische Freunde genauso wie christliche. Seiner Familie ging es gut, sagt er. Sein Vater arbeitete als Architekt in Aleppo. In vier Jahren hat er seine Eltern dreimal gesehen. Weihnachten und Silvester hat er immer in Deutschland verbracht.
Seit Ende August gibt es in Aleppo kein Internet mehr. Daher bekommt Abdul weniger Informationen darüber, was in der Stadt passiert. „Die Hälfte meiner Freunde sind geflohen“, erzählt er. „Vor dem Krieg haben wir gut gelebt. Wir hatten gute Arbeit und die Wirtschaft hat sich Jahr für Jahr verbessert“, berichtet Abdul. Beide Seiten, die Regierung und die Rebellen, seien daran schuld, dass das Land um 200 Jahre in seiner Entwicklung zurückgefallen ist. Er denkt, dass die Medien in Syrien und im Ausland den Krieg immer weiter aufheizen.
Abdul ist froh, dass er in Chemnitz leben kann. Die meisten Freunde, die er in der Stadt hat, sind Erasmus-Studenten. „Ich kenne Leute in jedem europäischen Land“, erzählt er stolz. Jedes Jahr kommen neue ausländische Studierenden, die Abdul durch seine aufgeschlossene Art schnell kennen lernt. Nun wartet Abdul ab. Er hofft, dass er noch eine Lösung findet, um sein Studium an der TU Chemnitz zu beenden. Nach Syrien will er auf keinen Fall zurückgehen. Nach dem Studium in Deutschland bleiben, will er aber auch nicht. „Ich wünsche mir für die Zukunft, dass ich näher bei meiner Familie sein kann“, gesteht Abdul. Er hat sich eine Frist gesetzt: Bis zum Frühjahr nächsten Jahres muss er genug Geld für das Studium in Chemnitz haben, sonst kann er nicht länger in Deutschland bleiben.