Abdul
Masih Hadaya lebt seit vier Jahren in Deutschland. Da seine Eltern vor dem
syrischen Bürgerkrieg fliehen mussten, können sie ihm das Studium nicht länger
bezahlen. Unterstützung vom deutschen Staat bekommt er bis jetzt nicht. Darum
muss Abdul sein Studium in Chemnitz vielleicht abbrechen.
Abdul bedeutet auf Arabisch Diener.
Und Masih bedeutet Messias. Hadaya steht für die Zeit, die man auf dem
richtigen Weg verbringt. Abdul Masih Hadaya kommt aus Syrien. Ob er sich im
Moment auf dem richtigen Weg befindet, kann er aber nicht sagen. Seit vier Jahren lebt der syrische
Student in Deutschland. „Ich finde es immer noch gut, wenn ich korrigiert
werde“, sagt Abdul. Von Anfang an war er sehr ehrgeizig Deutsch zu lernen. Wenn
er spricht, kann man keinen Akzent mehr hören. Auch seine blauen Augen, die aus
den schwarzen Locken und dem dunklen Bart hervorstechen, verraten seine
Herkunft nicht.
Der 23-Jährige wollte nach der Schule
unbedingt ins Ausland. In Deutschland wurde der Studiengang Drucktechnik
angeboten, der ihn damals noch interessierte. Zunächst musste Abdul einen
Deutschkurs besuchen. Er lebte in einige Monate in Zittau, Dortmund, Bottrop
und Wuppertal. In Wilhelmshafen begann er dann Medizintechnik zu studieren.
„In meinem Studiengang war ich der
einzige Ausländer. Da habe ich mich ausgeschlossen gefühlt“, berichtet Abdul.
Zum Wintersemester 2011 wechselte er an die TU Chemnitz. Jetzt studiert er
schon im 5. Semester den Bachelor in Medizintechnik. Damit ist Abdul einer von
elf syrischen Studenten, die derzeit in Chemnitz leben. Wie lange er dort noch studieren kann,
darüber zerbricht sich der junge Syrer gerade den Kopf. Als sich der syrische
Bürgerkrieg in diesem Jahr zuspitze, mussten Abduls Eltern nach Schweden fliehen.
Das Studium ihres Sohnes können sie jetzt nicht länger finanzieren. Nun steht
Abdul auf eigenen Füßen.
Mit seinem Problem hat Abdul die
Ausländerbehörde in Chemnitz aufgesucht. „Die haben mich nur gefragt, warum ich
nicht arbeite und warum meine Eltern nicht für mich zahlen“, erzählt Abdul.
Ausländischen Studierenden wird es erlaubt, 120 Tage im Jahr in Deutschland zu
arbeiten. „Ich möchte neben dem Studium
arbeiten“, erklärt Abdul. Auch seinen Eltern in Schweden würde er gern Geld
überweisen. Wenn er seinen ganzen Lebensunterhalt selbst verdienen müsste,
bezweifelt Abdul, ob er sein Studium schaffen könne. Eine staatliche
Ausbildungsförderung, also Bafög, oder einen Studienkredit bekommt er bis jetzt
nicht.
„Prinzipiell gibt es keine Möglichkeit
für ausländische Studierende, die sich zum Zweck des Studiums in Deutschland
aufhalten, finanzielle Förderung zu beantragen“, sagt Marko Rosteck,
Pressesprecher der Stadt Chemnitz. Die Sicherung des Lebensunterhaltes aus
eigenen Mitteln sei eine Voraussetzung für eine Aufenthaltserlaubnis zum
Studium. Das bedeutet, dass die Studierenden den Bafög-Mindestsatz von 659€ im
Monat zur Verfügung haben müssen.
Abdul als Kind in Syrien; Foto: Privat |
Abdul ist längst kein Einzelfall. Dass
viele syrischen Studierenden das gleiche Problem haben ihr Studium zu
finanzieren, ist der Bundesregierung bekannt. „Vor dem Hintergrund des
Bürgerkrieges in Syrien geraten syrische Studierende mit einer
Aufenthaltserlaubnis nach Paragraf 16 Aufenthaltsgesetz teilweise in
finanzielle Schwierigkeiten, weil die bisherige Unterstützung aus ihrer Heimat
schwächer wird oder ganz ausbleibt“, heißt es in einem Bericht des
Bundesministeriums des Innern (BMI). Deshalb gesteht die Bundesregierung ihnen
eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen zu.
Die gesonderte Aufenthaltserlaubnis
nach Paragraf 23 kann bei Bürgerkriegsflüchtlingen erteilt werden. „Der Vollzug
dieser Aufnahmen fällt in die Zuständigkeit der Länder“, sagt Jenny Krüger,
Sprecherin des BMI. Das Gesetz ermöglicht es bedürftigen Studierenden Bafög zu
beantragen. Sie erhalten dann wie üblich zur Hälfte einen finanzielle Zuschuss
und zur Hälfte ein zinsfreies Staatsdarlehen. Das Darlehen muss nach dem
Studium zurückgezahlt werden. Damit wäre Abduls Problem eigentlich gelöst.
Das Gesetz kann aber nur geltend
gemacht werden, wenn ein syrischer Student in dem jeweiligen Bundesland
nachweist, dass die bisherige Finanzierung tatsächlich weggebrochen ist. In
Abduls Fall sind die Eltern zwar nach Schweden geflohen, allerdings hatte er
sie nicht für die Finanzierung seines Unterhalts bei der Einreise angegeben. Um
für Deutschland ein Visum zu bekommen, musste Abdul eine finanzielle
Absicherung nachweisen. „Ich hatte keine 8.000 Euro auf meinem Konto. Darum hat
ein Freund der Familie, der schon in Deutschland gewohnt hat, für mich
gebürgt“, berichtet Abdul. Genau dieser Freund der Familie, der sich für Abduls
Absicherung verpflichtet hatte, müsste jetzt für ihn aufkommen. Da der Bekannte
in Deutschland lebt, ist er von den Geschehnissen in Syrien nicht direkt
betroffen. Abdul will aber auf keinen Fall den Freund der Familie um Geld
bitten.
Die Zwickmühle ist perfekt. Denn wenn
Abdul der Behörde jetzt mitteilt, dass sein Bekannter nicht für seinen
Unterhalt sorgt, um eine Aufenthaltsgenehmigung aus humanitären Gründen zu
beantragen, muss das gesamte Visum überprüft werden. Dabei läuft er Gefahr, die
Aufenthaltsgenehmigung komplett zu verlieren.
Seit einer Woche wohnt Abdul in einer
günstigeren Wohngemeinschaft in Bernsdorf. Doch noch immer plagen ihn die
gleichen Sorgen. „Ich habe dem Amt auch vorgeschlagen, dass ich das gesamte
Bafög nach meinem Studium zurückzahle“, sagt er. Abdul hofft darauf, mit seinem
Abschluss in Medizintechnik eine gute Stelle in einem Krankenhaus oder in der
Industrie zu finden.
Abdul in Deutschland; Foto: Privat |
Der 23-Jährige überlegt jetzt sogar,
ob er Asyl in Schweden beantragen soll, um näher bei seinen Eltern zu sein und
sein Studium ohne Geldsorgen beenden zu können. Kontakt zu den schwedischen
Universitäten hat er bereits aufgenommen. Den Studienort zu wechseln, ist aber
gar nicht so einfach.
Die Familie Hayada gehört zu den
katholischen Aramäern, die man auch syrische Christen nennt. In Aleppo, seiner
Heimatstadt, besuchte Abdul eine christliche Grundschule. Seine Religion war
damals nie ein Problem für ihn. Er hatte muslimische Freunde genauso wie
christliche. Seiner Familie ging es gut, sagt er. Sein Vater arbeitete als
Architekt in Aleppo. In vier Jahren hat er seine Eltern dreimal gesehen. Weihnachten
und Silvester hat er immer in Deutschland verbracht.
Seit Ende August gibt es in Aleppo
kein Internet mehr. Daher bekommt Abdul weniger Informationen darüber, was in
der Stadt passiert. „Die Hälfte meiner Freunde sind geflohen“, erzählt er. „Vor dem Krieg haben wir gut gelebt.
Wir hatten gute Arbeit und die Wirtschaft hat sich Jahr für Jahr verbessert“,
berichtet Abdul. Beide Seiten, die Regierung und die Rebellen, seien daran
schuld, dass das Land um 200 Jahre in seiner Entwicklung zurückgefallen ist. Er
denkt, dass die Medien in Syrien und im Ausland den Krieg immer weiter
aufheizen.
Abdul ist froh, dass er in Chemnitz
leben kann. Die meisten Freunde, die er in der Stadt hat, sind
Erasmus-Studenten. „Ich kenne Leute in jedem europäischen Land“, erzählt er
stolz. Jedes Jahr kommen neue ausländische Studierenden, die Abdul durch seine
aufgeschlossene Art schnell kennen lernt. Nun wartet Abdul ab. Er hofft, dass er
noch eine Lösung findet, um sein Studium an der TU Chemnitz zu beenden. Nach
Syrien will er auf keinen Fall zurückgehen. Nach dem Studium in Deutschland
bleiben, will er aber auch nicht. „Ich wünsche mir für die Zukunft, dass ich
näher bei meiner Familie sein kann“, gesteht Abdul. Er hat sich eine Frist
gesetzt: Bis zum Frühjahr nächsten Jahres muss er genug Geld für das Studium in
Chemnitz haben, sonst kann er nicht länger in Deutschland bleiben.