Auf dem Boden brennen fünf Teelichter. Acht Frauen mit weißem Haar verändern immer wieder kichernd ihre Position, bis sie endlich einen Kreis um die Kerzen bilden. Simone Hegele schließt behutsam die braune Tür des Gemeinderaums. Ein Zettel hängt in der Glasscheibe: 10 Uhr Meditativer Tanz.
Simone Hegele in Dankeskirche, Foto: TG |
„Was die Gemeinde vor allem auszeichnet, ist ihr diakonischer Schwerpunkt“, sagt Simone. Milbertshofen sei eines der ärmeren Viertel in München, in dem die Pflegedienste der Diakonie sehr gefragt seien. Die Diakonie ist ein separater und bundesweiter Verein, der aber durch seine evangelische Sozialarbeit sehr eng mit der Dankeskirche verknüpft ist. Pfarrer Christian Weigl kann die Hilfe der Diakonie anfordern, wenn er, beispielsweise nach einem Hausbesuch, denkt ein Gemeindemitglied sei in seinem Haushalt alleine überfordert.
Draußen vor der Dankeskirche steht ein weißer Imbisswagen, der deutsch-türkische Spezialitäten verkauft. Hin und wieder erklingt das rollende R der russischen Sprache auf dem kleinen Platz vor der roten Backsteinkirche. Mütter schieben ihre Kinderwagen zum gegenüber liegenden Rossmann und kaum ein Auto durchquert an diesem Samstagmorgen die Straßen des Viertels. Was Milbertshofen von den anderen Bezirken in der Bayrischen Landeshauptstadt unterscheidet, ist der hohe Ausländeranteil im Viertel. Ungefähr 35 Prozent der Menschen, die dort leben, haben einen Migrationshintergrund.
Die meisten Kirchenmitglieder der christlichen Gemeinde spiegeln diesen hohen Ausländeranteil jedoch nicht wieder. Ab und zu schafft es die Kirche die Menschen von Milbertshofen, unabhängig von ihrer Konfessionen, in einen Austausch miteinander zu bringen. Das geschieht beispielsweise in dem hauseigenen Kindergarten. Er ist zum Ort der Integration geworden, da hier Kinder ganz unterschiedlicher Glaubensrichtung und Herkunft miteinander spielen. Die regelmäßigen Mutter-Kind-Treffen dienen ebenfalls diesem Zweck.
Ein Sessellift an der weißen Geländer im Treppenhaus befestigt, führt zu einem kleinen Flur im ersten Stock. Simone öffnet die Flügeltüren zu dem größten Gemeinderaum des Hauses. Licht strömt durch die schrägen Dachfenster hinein. Es ist warm und an der Seite steht eine Pinnwand mit Steckbriefen von den aktuellen 14 Konfirmanden.
Gesangsbücher, Foto: TG |
Rot gefliest ist der Kellerboden des Gemeindehauses. Jeden Donnerstagabend sind hier Bartheke und Clubraum für den Jugendtreff geöffnet. „Ich lerne nach und nach alles, was der Pfarrer auch macht“, erklärt Simone. Neben dem Durchführen von Gottesdiensten gehört auch die Arbeit mit den Jugendlichen in Konfirmations- und Religionsunterricht dazu.
Ursprünglich aus Ammersee stammend, was sich 50km südwestlich von München befindet, hat die 29-Jährige, außer in München, auch in Berlin und Brasilien gelebt, bevor der Stadtteil Milbertshofen ihre neue Heimat wurde. Seit einem Jahr ist sie im Mutterschutz. Ab nächstem Januar wird sie wieder täglich in der Gemeinde arbeiten.
Fast an jedem Tag der Woche gibt es eine Veranstaltung oder ein Freizeitangebot in der Kirche, oft sogar mehrere. Neben den Gottesdiensten, dem Jugendtreff, der Sonntagsküche und den Mutter-Kind-Treffen bietet die Dankeskirche außerdem einen Seniorenklub, einen Bibelkreis, ein ökumenisches Frauenfrühstück und Spielgruppen an. Diese Arbeit in der Gemeinde baut auf viele ehrenamtliche Helfer auf.
Das Interesse der Dankeskirche mit anderen Partnergemeinden zusammen zu arbeiten ist sehr groß. So nutzt auch die finnische Gemeinde die Räumlichkeiten der Gemeinde. Die zahlreichen ökumenischen Gottesdienste, die Verbindung von evangelischer und katholischer Christenlehre, sind vorbildhaft in dieser Kirche in München.
„Es ist einfach der Beruf, den ich machen will“, sagt die zierliche Simone über ihre Ausbildung zur Pfarrerin. Die braunen Haare trägt sie mit einem Zopfhalter zurückgebunden. „So eine Gemeinde hat einfach ein Gemeinschaftsleben zu bieten“, fügt sie noch hinzu. Die Kirche sei neben der geistlichen Betreuung eben auch dazu da, um sich zu engagieren, Kontakte zu knüpfen und sich in dem Viertel zuhause zu fühlen.
Als Simone das Gemeindehaus neben der Kirche verlässt, schaut sie sich um und sagt: „Ich finde es schon ganz schön hier zu wohnen. Es hat etwas gemütliches, ein bisschen was dörfliches.“ Dennoch würde sie mit ihrer Familie irgendwann lieber am Stadtrand wohnen. Viele Baustellen mit Bagger und Schutt gibt es rund um die Keferloherstraße, in der die Dankeskirche steht. Das Viertel verändert sich, die Gemeinde auch.