Thursday 2 April 2015

Das Tüten-Dilemma

Fast alle Kunden und Händler sind sich einig: Plastiktüten verschmutzen die Umwelt und sollten weniger benutzt werden. Dennoch greifen viele immer noch beim Einkaufen nach den Wegwerftüten.


Rochlitz. Zwei Stück Streuselkuchen und zwei Körnerbrötchen bestellt die Kundin in einer Bäckerei in Rochlitz. Die Verkäuferin verpackt alles in zwei Papiertüten und reicht sie über den Tresen. "Kann ich noch eine Tüte haben", fragt die Kundin. Und schon wieder verlässt eine durchsichtige Plastiktüte das Geschäft. Zu Hause landet sie wahrscheinlich im Müll.

Dass Plastiktüten die Umwelt schädigen, darüber sind sich viele Kunden und auch Händler seit Langem bewusst - auch in Rochlitz. In der der Merkur-Apotheke hat beispielsweise die Umstellung auf Papiertüten bereits begonnen. "Irgendwann müssen wir ja wegkommen von den Plastiktüten", sagt Harry Burkhard, Geschäftsführer der Apotheke. Er steckt die Medikamente in weiße Papiertragetüten. Eine Firma stellt sie ihm kostenlos zur Verfügung, da sie mit Werbung von lokalen Unternehmen bedruckt sind. Ein anderes Beispiel ist die Bäckerei Stölzel. Dort werden Kuchen und Brote in beschichtete Papiertüten gepackt. Beutel aus Plastik gibt es nur, wenn ein Kunde ausdrücklich danach fragt. "Wir haben seit zehn Jahren sukzessiv auf Papiertüten umgestellt", sagt Karsten Stölzel, Geschäftsführer der Bäckerei. Die Anreize dafür waren ökologisch, aber auch ökonomisch. "Die Kosten für Verpackungen sollten nicht den Wert des Produktes übersteigen", fügt er hinzu. Papiertüten könne er günstiger erwerben.

"Irgendwann müssen wir ja wegkommen von den Plastiktüten."

Dass immer noch viele Kunden an Wegwerftüten festhalten, kann man an einkaufenden Menschen im Stadtzentrum beobachten. Kathrin Schwill, Geschäftsführerin des Blumenhauses Müller, bestätigt diese Beobachtung. "Die meisten Kunden wollen die Blumen verpackt mitnehmen", sagt Schwill. Im Sommer komme es häufiger vor, dass jemand eine Pflanze ohne Verpackung transportiert. "Wir haben schon mit dem Gedanken gespielt, Geld für die Tüten zu verlangen", fügt sie hinzu. Dann hat sich das Blumengeschäft wieder dagegen entschieden - um keinen Wettbewerbsnachteil zu erleiden, müssten die Tüten überall kostenpflichtig sein. So wie das in vielen Supermärkten bereits Realität ist. Dort werden neben den einfachen Plastiktüten auch stabilere Einkaufstaschen zum Verkauf angeboten. In vielen Textilwarenläden ist es jedoch noch weit verbreitet, die Sachen in Tüten Heim zu tragen.

Laut der Europäischen Kommission verbraucht jeder Deutsche etwa 70 Plastiktüten pro Jahr. In der EU liegt der Durchschnitt bei rund 200 Plastiktüten. In Bulgarien werden mehr als 400 Stück verbraucht. Die Umweltverschmutzung spiegelt sich im Ozean wieder. Laut dem Europaparlament landen pro Jahr etwa acht Milliarden Plastiktüten von EU-Bürgern im Meer. Bis 2025 sollen die Länder freiwillig den Verbrauch von Einwegtüten um 80 Prozent verringern. Eine andere Möglichkeit ist, diese ab 2018 nur noch kostenpflichtig anzubieten. Dünnwandige Tüten für Obst oder Käse sind davon ausgenommen. Denn ein Verbot könnte noch schädlichere Verpackungen wie Schalen aus Schaumstoff fördern. Auch stabile Kunststofftaschen fallen nicht unter die Regelung. Als Vorzeigebeispiel gilt derzeit Irland: Dort konnte 2013 der Verbrauch von Einwegtüten durch eine Umweltsteuer um 90 Prozent reduziert werden.
Spricht man die Menschen in Rochlitz auf ihre Einkäufe an, sagen viele, dass sie lieber zu Stoffbeuteln, Körben oder Tragetaschen greifen. Geld würden die meisten für Wegwerftüten nicht ausgeben.

No comments:

Post a Comment